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Für Bürgernähe und Frieden in Europa

Für Bürgernähe und Frieden in Europa

Geschätze Lesezeit: 5 Minuten
Anke Schwarze
25.05.2025

Zwei Kämpferinnen, eine Diplomatin: Nah an den Menschen – das verbindet drei weitere Frauen, die zu den Pionierinnen und Pionieren der EU gehören, Melina Mercouri, Nilde Iotti und Nicole Fontaine. Die beiden ersten hatten gelernt, im Widerstand für die Freiheit ihrer Heimatländer Griechenland und Italien zu streiten; die Französin Fontaine wurde als Vermittlerin gerühmt. In ihrem Engagement für Europa ließ sich keine von ihnen beirren.


1. Melina Mercouri (1920-1994)

Filmfans ist die temperamentvolle Griechin als diebischer Vamp aus dem Heist-Movie „Topkapi“ (1964) bekannt. Die Tochter eines Politikers war eine international gefragte Schauspielerin. Als sie 1967 in New York am Broadway auftrat, putschte sich in Griechenland ein rechtsextremes Militärregime an die Macht. Mercouri nutzte ihren Ruhm, die Junta aus dem Exil heraus anzuprangern. Das war lebensgefährlich: Kurz vor einer Ansprache, die sie in Genua hielt, entdeckte die Polizei unter ihrem Rednerpult eine Zeitbombe. Nach dem Ende der Diktatur startete Mercouri ihre politische Karriere in der griechischen Demokratie. Ihre Initiativen als Kultusministerin veränderten das Land nachhaltig. Sie wollte Kultur für alle Menschen zugänglich machen und erreichte freien Eintritt zu Museen und archäologischen Stätten Griechenlands. Und wenn aktuell die diesjährigen Kulturhauptstädte Europas wieder in aller Munde sind, ist das ebenfalls Mercouris Verdienst. Europäische Kultur sollte für alle sichtbar und erfahrbar sein: Aus dieser Überzeugung heraus regte sie 1983 bei einem Treffen der Kultusminister der Europäischen Gemeinschaft (EG) an, jedes Jahr eine Kulturhauptstadt zu küren. Damit bereicherte sie das bisher auf wirtschaftliche Ziele fokussierte Bündnis der EG um den Faktor Kultur.

 

Nach der Erlangung der Unabhängigkeit war eines der ersten Gesetze der griechischen Regierung der Schutz und die Erhaltung nationaler Denkmäler.“ (Melina Mercouri)

 

2. Leonilde „Nilde“ Iotti (1920–1999)

Die junge Studentin kämpfte während des Zweiten Weltkriegs im kommunistischen Widerstand Italiens. Nach dem Krieg engagierte sie sich für Frauenrechte und wurde in die verfassungsgebende Nationalversammlung Italiens gewählt. Als eine der Gründungsmütter der Republik war sie an der rechtlichen Verankerung der Gleichstellung von Männern und Frauen beteiligt. Zum gleichberechtigten Zugang von Frauen zur Justiz sagte sie: „Wenn eine Frau die Fähigkeit hat, dorthin zu gelangen, und ich bin überzeugt, dass sie diese hat, muss sie in der Lage sein, wie der Mann die höchsten Rängen der Justiz zu erlangen, ohne Diskriminierung.“ Von 1948 bis zu ihrem Tod 1999 gehörte sie der Abgeordnetenkammer an, davon fast 15 Jahre lang als Präsidentin. Ein Schlüsselmoment in der Geschichte des europäischen Parlaments geht auf ihre Kosten: Im Juni 1979 konnten die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Abgeordneten erstmals direkt wählen. Zuvor hatten die nationalen Parlamente Vertreter entsandt. Iotti dagegen vertrat die Auffassung, dass eine direkte Wahl die Bürger stärker an die EG binden und der Parlamentsarbeit mehr Gewicht verleihen würde. In Sinne der Bürgernähe setzte sich Iotti für einen stärkeren Dialog zwischen nationalen Parlamenten und dem europäischen Parlament ein.

 

Die alltäglichen Sorgen – auch die kleinen Dinge – müssen zum Thema werden: in der Politik, den Ministerien, der Wirtschaft und den Gemeinden. Damit endlich jeder sieht, was Frauen tagtäglich leisten.“ (Nilde Iotti)

 

3. Nicole Fontaine (1942–2018)

Hautnah erlebte die Juristin 1968 die Studentenunruhen in Paris mit, sah sich aber „mehr als Beobachterin und weniger als Protagonistin“ (aus: „Nicole Fontaine“, Kurzbiografie der Europäischen Kommission). Auch später wurde die zweimalige Vizepräsidentin des EU-Parlaments (1989–1994 und 1994–1999) für ihre diplomatischen Fähigkeiten als „koalitionsschmiedende Mittlerin“ (s. ebenda) gelobt. Zwei markante Beispiele illustrieren das. Anfang des Jahres 2000 sprach Fontaine vor der Knesset, dem israelischen Parlament. Angesichts festgefahrener Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern betonte sie, das EU-Parlament pflege „Kontakte zu allen Parteien, die ein gemeinsames Interesse an einer … friedlichen Lösung der Nahostfrage haben“. Im September 2000 erreichte sie dann, dass sich bei einer Parlamentssitzung in Straßburg zwei Vertreter der beiden verfeindeten Lager die Hand reichten. Im Jahr darauf richtete Fontaine ihre Aufmerksamkeit auf Afghanistan. Zunächst lud sie dessen Vizepräsidenten Ahmed Schah Massud nach Straßburg ein, wo dieser – wenige Monate vor dem Terroranschlag vom 11. September – vor der Gefahr durch Osama bin Laden warnte. Kurz darauf empfing Fontaine drei Afghaninnen im Parlament. Die Frauen waren aus ihrem Land geflohen. Dank Fontaine konnten sie an prominenter Stelle in Europa auf die Unterdrückung der Frauen durch die Taliban aufmerksam machen.

 

Ob es nun um die Bewältigung der Zuwanderung, den Kampf gegen die Unsicherheit im Zusammenhang mit der Entwicklung der internationalen Kriminalität in allen ihren Formen … oder um die Schaffung eines wirklichen europäischen Rechtsraums geht … unsere Mitbürger erwarten Antworten.“ (Nicole Fontaine auf der Sondertagung des Europäischen Rates in Tampere, 15. Oktober 1999)


Zum Weiterlesen: 

  1. https://european-union.europa.eu/principles-countries-history/history-eu/eu-pioneers/melina-mercouri_de
  2. https://european-union.europa.eu/principles-countries-history/history-eu/eu-pioneers/nicole-fontaine_de
  3. https://european-union.europa.eu/principles-countries-history/history-eu/eu-pioneers/nilde-iotti_de