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Europa wächst zusammen – oder: Wer rät wem?

Europa wächst zusammen – oder: Wer rät wem?

Geschätze Lesezeit: 3 Minuten
Anke Barbara Schwarze
05.09.2024

Als Ende August die Paralympischen Spiele 2024 begannen, wurde eine der paralympischen Fackeln vor dem Europarat in Straßburg empfangen. Es war im wahrsten Sinne des Wortes ein Fanal, also ein Leuchtzeichen. Denn der Europarat setzt sich auch für „Fairplay und Respekt im Sport ein“. Dies sei Teil seiner Aufgaben als „wichtigster Organisation zur Verteidigung der Demokratie und der Menschenrechte in Europa“. Diese Aufgabe stellten sich die Vertreter der zehn Staaten, die am 5. Mai 1949 die Gründungsurkunde des Europarats unterschrieben: Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Schweden und Großbritannien. Einen entscheidenden Anstoß hatte der ehemalige Regierungschef des letztgenannten Landes gegeben: Winston Churchill hielt am 19. September 1946 eine jener Reden, die Weltgeschichte schreiben sollten. In der Aula der Universität Zürich forderte er eine „Neuschöpfung der europäischen Völkerfamilie“, eine Art „Vereinigte Staaten von Europa“ („United States of Europe“), die sich dem Frieden, der Sicherheit und der Freiheit aller verschreiben müssten.

Versöhnung statt Vergeltung

Fast auf den Tag genau ein Jahr nach der Kapitulation von Nazi-Deutschland war das eine gewagte Forderung. Vor allem die Franzosen, zu jener Zeit einer Aussöhnung noch ablehnend gegenüberstehend, reagierten verhalten. Trotzdem keimte das Samenkorn einer übergeordneten europäischen Organisation zur Wahrung von Frieden und Menschenrechten. Mit dem Europarat entstand vier Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs die erste gemeinsame politische Organisation europäischer Staaten. Am 30. Mai 1950 übersandte Bundeskanzler Konrad Adenauer dem Bundestag einen von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzesentwurf über den Beitritt der BRD zum Europarat. Der Beitritt wurde am 15. Juni 1950 beschlossen. Einen Monat später trat die Bundesrepublik als assoziiertes Mitglied mit untergeordnetem Status, am 2. Mai 1951 als vollberechtigtes Mitglied bei. Damit war diese Organisation die erste, in der Deutschland nach dem von ihm verursachten Weltkrieg aufgenommen wurde. Ganz im Sinne ihrer Ziele setzten die damaligen Mitgliedsstaaten damit ein wegweisendes Zeichen der Versöhnung. Heute listet der Europarat 46 Mitgliedsstaaten auf (die Russische Föderation gehört seit dem 16. März 2022 nicht mehr dazu). Er hat seinen Sitz in Straßburg. Alle Mitgliedsstaaten haben sich der Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet. Dazu gehören die Verhütung von Folter, die Bekämpfung von Rassismus, die Verteidigung der Meinungsfreiheit, die Gleichstellung von Frauen und Männern, Schutz der Kinderrechte und die Wahrung kultureller Vielfalt. Eines der entscheidendsten Organe des Europarats ist daher der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. „Jede Person, die geltend macht, selbst Opfer einer Konventionsverletzung zu sein, kann direkt eine Beschwerde beim Gerichtshof in Straßburg einlegen“, erklärt der Europarat. Urteile des Europäischen Gerichtshofs sind für die Mitgliedstaaten bindend.

Vorsicht: Verwechslungsgefahr

Der Europarat ist keine Organisation der Europäischen Union und daher nicht zu verwechseln mit zwei EU-Institutionen, deren Namen ähnlich klingen: dem „Europäischen Rat“ und dem „Rat der Europäischen Union“. Beim Europäischen Rat handelt es sich um ein Gremium der Staats- und Regierungschefs aus allen 27 EU-Mitgliedstaaten. Es legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Schwerpunkte für die EU fest, hat aber keine gesetzgebende Gewalt. Die obliegt dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament. Der Rat setzt sich aus Ministern und Ministerinnen der EU-Staaten zusammen und wird daher auch Ministerrat genannt. Zu seiner Arbeit gehören beispielsweise der Erlass von Rechtsvorschriften, die Verabschiedung des EU-Haushalts, die Entwicklung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Zum Weiterlesen: https://www.consilium.europa.eu/de/european-council-and-council-of-the-eu/